Datum
12.05.2023
Titel
Positionspapier des Bundesverbands Pflegemanagement
Untertitel
Beteiligung des Pflegemanagements an der Krankenhausreform
Text

Mit der angestrebten Krankenhausreform für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sollen Patient*innen wieder in den Fokus gerückt und eine flächendeckend, qualitativ hochwertige Versorgung sichergestellt werden. Durch die neuen Finanzierungsstrukturen sollen die ökonomischen Zwänge abgeschafft werden. Die unterschiedlichen Veröffentlichungen und Berichterstattungen machen jedoch erneut deutlich, dass den Beteiligten der Interessensvertretungen aus der Pflege sowie der Regierungskommission nicht viel Spielraum zum Mitgestalten bleibt.

Durch die Förderungen des Deutschen Pflegerats, dem Dachverband zahlreicher Interessenverbände in der Pflege, hat das BMG schon einen wichtigen Schritt getan, nur ist das Ziel für zeitnahe Auseinandersetzungen mit Inhalten sowie einer stimmberechtigten Beteiligung aller politischen Prozesse noch nicht erreicht.

Um die Perspektive des Pflegemanagements auf die Strukturveränderungen der Krankenhausreform rechtzeitig einzubringen, hat der Bundesverband Pflegemanagement in einer Delegiertenversammlung gemeinsam Ziele und Maßnahmen entwickelt, die eine Beteiligung des Pflegemanagements aufzeigen. Das vorliegende Papier bietet Einschätzungen und Beteiligungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Führungskräfte in der Pflege. Verbunden mit dem Angebot, sich an den pflegemanagementrelevanten Inhalten zu beteiligen und Praxis-erfahrung einzubringen.

Nach einer Übersicht der zentralen pflegemanagementrelevanten Themen und Vorschlägen zur aktiven Beteiligung des Pflegemanagements folgen eine ausführliche Darstellung der Themen sowie daraus abgeleitete Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive.

Ziel und Zweck des Verbands ist die aktive Interessenvertretung der Profession Pflege und insbesondere des Pflegemanagements in Politik und Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen in der Pflegepraxis tragen gerade die Führungskräfte in der Pflege eine wesentliche Verantwortung, wenn es um die künftige Ausgestaltung der Profession Pflege und deren Rolle im Versorgungsprozess geht. Der Bundesverband Pflegemanagement setzt ein klares Zeichen für die Verantwortung, die die Berufsgruppe bereits heute trägt und auch künftig zu tragen bereit ist.

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Pflegemanagementrelevante Themen und Beteiligungsoptionen

1.Kinder- und Jugendmedizin sowie Geburtshilfe. Die Förderung der Kinder- und Jugendmedizin mit 600 Mio. Euro im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetz ist ein erster Schritt. Mit der Sicherstellung der flächendeckend qualitativ hochwertigen und wohnortnahen Versorgung durch die Zentralisierung und Anpassung der Kliniken, die Geburtshilfe sowie Kinder- und Jugendmedizin anbieten, sind Anpassungen bei den pflegerischen Qualifikationen erforderlich.

Das Ziel muss sein, dass Spezialisierungen in einen gesetzlichen Rahmen gegossen werden. Der Bundesverband Pflegemanagement schlägt vor, die Landespflegekammern bei der Umsetzung der Spezialisierung in die Verantwortung zu nehmen. Das Pflegemanagement kann mit seiner Expertise als Schnittstelle zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen praxisrelevante Themen mitbeleuchten und diese in den Gremien mitdiskutieren.

2.Pflegerische Ausbildung. Die pflegerische Ausbildung wird in den Stellungnahmen zur Krankenhausreform kaum berücksichtig. Es ist die Rede von geeigneten Ausbildungsstätten für die Level II und III Häuser. Hierzu bedarf es Definitionen und Anpassungen.

Ein Ziel sollte sein, dass die Sicherstellung der praktischen Ausbildung in den Praxistätten sowie die Anpassungen der gesetzlichen Vorgaben zur Praxisanleitung geregelt werden. Zudem fordert der Bundesverband Pflegemanagement, dass aufgrund der in den Bundesländern unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen der theoretischen Ausbildungsstätten alle Krankenhäuser auch Träger einer theoretischen Ausbildungsstätte sein dürfen. Durch die zentrale Schnittstelle, die das Pflegemanagement im Kontext der theoretischen sowie auch fachpraktischen Ausbildung einnimmt – und das in allen pflegerischen Stettings – sollte die Beteilung in den entsprechenden Gremien berücksichtigt und somit die Fachexpertise mit einfließen. Dies setzt nicht nur eine Attraktivitätssteigerung und Weiterentwicklung in Gang, sondern sorgt auch bei der Einführung der Krankenhausreform für eine praxisorientierte Umsetzung.

3.Hybride Gesundheitsversorgung. Die geplanten Level I i Häuser, sog. hybride Gesundheitsversorger, sind für Patient*innen und das Pflegemanagement attraktiv und könnten eine hohe Nachfrage nach sich ziehen. Damit die Transformation gelingt, muss die Regierung den Vergütungsanreiz für diese hybriden Modelle ausreichend hoch ansetzen und die Führung solcher Einrichtungen nicht den ANP oder PA zuordnen, sondern dem Pflegemanagement. Dann werden sowohl öffentliche, freigemeinnützige und auch private Träger attraktive Angebot für die Patient*innen auf die Beine stellen.

Das Aufgabenspektrum der Level I i Kliniken gerade in der Führung wird vielseitig sein, denn sowohl die Budgetierung, Abrechnung, Koordination der Patient*innen, die Personaleinstellung, -führung wie auch -entwicklung müssen durch gute Konzepte und somit gute Führung gewährleistet sein. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Leitung und Führung eines Level I i Krankenhaus von einer Person mit Expertise im Pflegemanagement besetzt werden.

Die fachlich nachgeordnete Leitung sollte durch eine APN erfolgen. Die fachliche Führung durch eine APN sichert beispielsweise die qualitative Versorgung der Patient*innen, das Arbeiten nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Standards und bietet die Möglichkeit für erweiterte Tätigkeitsfelder.

Das Pflegemanagement, beispielsweise vertreten durch den Bundesverband Pflegemanagement, kann bei der Definition der Betreuungsmöglichkeiten, den Aufbaustrukturen des Hauses, den Ausbildungsmöglichkeiten, der erforderlichen fachlichen Expertise, dem Leistungsspektrum und den dafür notwendigen Voraussetzungen konkret unterstützen.

4.Finanzierung. Die Finanzierung der Krankenhausreform basiert auf der Aufsplittung zwischen Pflegebudget, DRG, Vorhaltebudget und Investitionen. Es werden neben Entbürokratisierung auch Definitionen zu den Tagessätzen der Level I i Häuser und pflegerelevanter Diagnosen benötigt.

Die Erfahrungen im Pflegemanagement seit der Einführung des Pflegebudgets haben gezeigt, welche Potentiale in einer geeigneten Finanzierung stecken. Es wurden allerdings auch die Risiken und Hürden deutlich. Das Pflegemanagement kann hier aktiv gemeinsam mit den GKV-Spitzenverbänden an einem Tisch über mögliche Systeme beraten und diese der Regierung zur Integration in die Krankenhausreform vorlegen. Gerade bei diesem Thema gilt es vorhandene Expertise zu nutzen und erfahrene Manager*innen unter Nutzung bereits bestehender Netzwerke einzubinden.

5.Personalbemessung. Im Rahmen der Krankenhausreform wurde das Pflegepersonalbemessungsinstruments PPR 2.0 fixiert. Für eine sinnstiftende und nachhaltige Implementierungsphase braucht es transparente Kommunikationsstrukturen zwischen Politik, Anwendern sowie Herstellern von Softwarelösungen.

Es bestehen bereits zahlreiche Gremien seitens des DPR, die alle Perspektiven der Pflege vereinen und Möglichkeiten für die Personalbemessung aufzeigen. Es wird Zeit, diese zu nutzen und in feste Kommunikationsstrukturen mit der Regierung zu gießen, so dass die bestmögliche Expertise und vorhandene Erfahrungen für das Bemessungsinstrument genutzt werden können.

6.Notfallversorgung. Der Anstieg der Notfallpatient*innen macht auch in diesem Bereich eine Reform erforderlich. Bei der geforderten Errichtung eines zentralen Leitsystems und Einführung von Personalschlüsseln in Notaufnahmen der Kliniken muss die Expertise der pflegerischen Verantwortlichen einbezogen werden.

7.Sektorenmanagement. In den Stellungnahmen zur Krankenhausreform ist die Verbindung zwischen der klinischen und der ambulanten Versorgung nicht hergestellt. An dieser Stelle bedarf es dringend der Klärung finanzieller Strukturen im Rahmen des IGES-Gutachtens. Auch muss eine Attraktivität für alle Felder geschaffen werden.

Um die Strukturen für definierte Handlungs- und Tätigkeitsfelder und die dazu notwendigen Qualifikationsniveaus zu schaffen und festzulegen, beteiligt sich das Pflegemanagement in den Entscheidungsgremien. Da die sektorenübergreifende Versorgung nicht nach Ländergrenzen umzusetzen ist, sondern nach Regionen, sind die Kompetenzen unabhängig von den Ländern zu regeln.

8.Spezialisierungen. Spezialisierung durch differenzierte und fest definierte Versorgungslevel werden durch das Pflegemanagement begrüßt. Nachweislich bevorzugen Pflegefachkräfte homogene Fachbereiche, in welche sie ihre Arbeitsleistung einbringen.

Gemeinsam mit den Landespflegekammer kann das Pflegemanagement beratend tätig werden und die Bedürfnisse und Einschätzungen aus der Praxis widerspiegeln und Anpassungen miteinbringen.

9.Change-Management und Arbeitnehmerüberlassung. Führungskräfte in der Gesundheitsversorgung, insbesondere der Profession Pflege, befinden sich in Zeiten gravierender Strukturveränderungen in einer Vermittlerrolle. Durch politische Zusammenarbeit und klare Kommunikationsstrukturen kann es deutlich besser gelingen, die pflegerischen Mitarbeitenden auf dem Weg mitzunehmen. Das Aufgreifen der Thematik zur Arbeitnehmerüberlassung wird deutlich begrüßt.

Der Bundesverband Pflegemanagement kann hier (gemeinsam mit dem VPU) Rah­menbedingungen definieren und Konzepte vorlegen, die eine Veränderung und Attraktivitätssteigerung hervorbringen.

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Fazit

Das Pflegemanagement, insbesondere der Berufsverband Pflegemanagement, steht mit zahlreichen Lösungsansätzen bereit, die die Krankenhausreform in der aktuellen Phase zielgerichtet und praxisorientiert bereichern können. Die vorgenannten Ausführungen machen Gedanken und Ideen sichtbar, die der Bundesverband Pflegemanagement aus der Praxisperspektive für zentral hält. Es gibt viele Lösungsansätze die Krankenhausstruktur zu verändern, aber es ist an der Zeit, im multiprofessionellen Team langfristige Lösungen zu erarbeiten, um eine stabile, nachhaltige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in Deutschland zu schaffen.

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Herausforderungen und Zielsetzungen aus Sicht des Pflegemanagements

1.Förderung der Kinder- und Jugendmedizin sowie Geburtshilfe

Im Vordergrund steht die finanzielle Unterstützung der Geburtshilfe sowie Kinder- und Jugendmedizin. Für geburtshilfliche Abteilungen sei laut den Empfehlungen eine Unterstützung – zusätzlich zu den abgerechneten DRGs – vorrangig für jene Abteilungen erforderlich, die nur eine geringe Zahl an Geburten haben, aber bei ihrem Wegfall eine Versorgungslücke für die Bevölkerung hinterlassen würden. Als Orientierung, welche Abteilungen Letzteres betrifft, könne die Festlegung von Abteilungen, denen Sicherstellungszuschläge zustehen, herangezogen werden.

Diese Mittel seien „unabhängig vom Abschluss von Budgetvereinbarungen“ zu gewähren, betonen die Experten. Eine erhöhte Vergütung sollen laut der Kommission etwa die Geburts­hilfeabteilungen erhalten, an deren Standort sich auch eine Pädiatrie befindet. Unberücksichtigt bleibt die Situation der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen im generalistischen Wandel.

Zielsetzung aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Verankerung der Spezialisierungen in einen gesetzlichen Rahmen

2.Pflegefachliche Ausbildung

Die Stellungnahmen der Regierungskommission beschreiben in den Empfehlungen zur Krankenhausreform lediglich, dass die Level II und III Häuser umfassende Ausbildungsstätten vorhalten sollen. Nicht daraus hervorgeht, ob sich die Empfehlungen auf die Trägerschaft der theoretischen Ausbildungsstätten bezieht, und/oder ob mit dieser Empfehlung gemeint ist, dass nur noch Level II und Level III Häuser als fachpraktischer Einsatzort gemäß des Pflegeberufegesetzes in Frage kommen.

Aus Sicht des Bundesverbands Pflegemanagement sind beide Ansätze grundsätzlich falsch und würden dazu führen, dass es zu einer weiteren Verringerung von Ausbildungsplätzen kommen würde, was angesichts des bestehenden und sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels nicht hinnehmbar ist.

Inwiefern die pflegerische Ausbildung, welche nach wie vor dem Föderalismus unterliegt, in Bezug auf Fachkliniken und hybriden Versorgungseinrichtungen sichergestellt werden soll, bleibt mehr als fraglich. Auch die hochschulische Ausbildung steht durch nicht vergleichbare oder einheitlich geregelte Studiengänge auf wackeligen Beinen.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Vergleichbarkeit der Hochschulabschlüsse in Deutschland und Vorschlag einer einheitlichen Benennung von Zielen und Inhalten.
  • Sicherstellung, dass alle Einrichtungen an denen Pflege stattfindet auch weiterhin Praxisorte der beruflichen oder hochschulischen Ausbildung bleiben.
  • Sicherstellung der Pflegestudiengänge, Finanzierung der Studierenden und Hochschulen.
  • Sicherstellung der praktischen Ausbildung in den Praxisstätten, Anpassung der gesetzlichen Vorgaben zur Praxisanleitung, Finanzierung.
  • Sicherstellung, dass trotz föderalistischer Zuständigkeit alle Krankenhäuser Träger einer theoretischen Ausbildungsstätte sein dürfen.
  • Einbeziehung der Rehabilitationskliniken als fachpraktischer Einsatzort und Ausbildungsträger gemäß Pflegeberufegesetz.
    Integration und Weiterentwicklung der hochschulischen Ausbildung zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung zur Pflegefachperson – auch im internationalen Vergleich.

3.Level I i Krankenhäuser – Einrichtungen der hybriden Gesundheitsversorgung

Der Schritt, Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung gemäß G-BA Notfallstufen teilnehmen und häufig auch über keine Intensivstation verfügen, in Level I i Krankenhäuser zu transformieren, ist vermutlich die größte Veränderung der gesamten Reform. Noch sind diese sogenannten hybriden Gesundheitsversorger aus Krankenhaussicht etwas ne[gativ behaftet, weil der Status eines „echten“ Krankenhauses verloren gehen kann. Mit Blick auf die aktuellen Defizite im Gesundheitswesen, das von zu hohen stationären und zu geringen ambulanten oder hybriden Angeboten geprägt ist, werden ambulante Leistungsspektren, die mitunter einer stationären, aber nicht intensiven Überwachung bedürfen, eine potenziell große Nachfrage nach sich ziehen. Aus Sicht des Pflegemanagements müssen aber zwangsläufige Grundstrukturen beachtet werden.

Im Zentrum der Level I i Einrichtungen stehen Patient*innenfälle mit folgenden Charakteristika:

  • Nach der ambulanten Behandlung ist eine Überwachung ratsam, aber keine intensivmedizinische Behandlung notwendig.
  • Der Schweregrad, gemessen als PCCL-Level, liegt zwischen 0-2, so dass die Patient*innen keine komplexen Komorbiditäten aufweisen und in der Regel auch keine klassische stationäre Therapie benötigen.
  • Eine ärztliche Rufbereitschaft ist ausreichend.
  • Eine stationäre Beobachtung ist aufgrund der sozialen Umstände erforderlich, weil sich die Patient*innen nicht selbständig zu Hause versorgen können.
  • Patient*innen, die eine noch geringere Therapie erfordern, die auch nicht im Krankenhaus stattfinden muss, aber einen hohen pflegerischen Bedarf haben.
  • Klare Abgrenzung zu anderen Versorgungsstrukturen wie Kurzzeitpflege usw. Vergleichbare Systeme aus dem stationären Krankenhaussetting könnten sogenannte HINU-Abteilungen sein (High-Intensive-Nursing-Units).
  • Auch gilt es zu bedenken, dass Pflege nicht gleich Pflege ist. Jede Pflegefachperson hat durch Berufserfahrung oder Weiterbildungen eine große fachliche Expertise in unterschiedlichen Fachbereichen. Eine internistisch ausgebildete und erfahrene Person kann nicht zwangsläufig auch schneidende Fächer versorgen. So sollte für die bestmögliche Versorgung der Patient*innen über mögliche Einrichtungen von Schwerpunktversorgung auch im Level I i nachgedacht werden.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Struktur- und Ergebnisdefinition aus Patient*innenperspektive
  • Vorstellung / Perspektive zur ärztlichen Zusammenarbeit / Kooperation
  • Beschreibung der leitenden Rolle des Pflegemanagements sowie klare Abgrenzung zu ANP
  • Klare Definition der pflegerischen Tätigkeitsfelder
  • Sicherstellung der Zusammenarbeit mit ambulanten Versorgern

4.Finanzierung

Die Regierungskommission empfiehlt eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung, um einen Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung der Krankenhausversorgung und
-vergütung zu leisten.

Dies soll ein weiterer Baustein für eine sektorenübergreifende Reform der ärztlichen und pflegerischen Versorgung in Deutschland sein. Sie erkennt, dass das DRG-System, das auf Leistungs- und Mengenorientierung basiert, Fehlanreize schafft und die Möglichkeiten für eine Ambulantisierung nicht berücksichtigt. Deshalb plädiert die Regierungskommission für eine Kombination aus leistungsabhängiger Vergütung und einer Vorhaltefinanzierung, die an Versorgungslevel und Leistungsgruppen gekoppelt ist. Darüber hinaus sieht sie eine regelmäßige Evaluation und wissenschaftliche Begleitung der Umstellung als unerlässlich an. Die aktuelle Planung sieht vor, dass die DRG-Vergütung um sogenannte Vorhaltebudgets ergänzt wird. Für jede Leistungsgruppe wird der Anteil der Vorhaltebudgets und der Anteil der Vergütung an der Gesamtvergütung festgelegt. Die Vorhaltebudgets sollen zwischen 40% bis 60% der Gesamtfinanzierung ausmachen. Die Vorhaltebudgets sollen sich aus dem aktuellen Pflegebudget (20%) und einer Vorhaltung für die restliche Infrastruktur (personell und medizinisch-technisch) zusammensetzen.

Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz wurde versprochen, dass die Kosten für das Pflegepersonal im Krankenhaus seit 2020 vollständig erstattet werden (Pflegebudget). Die Realität ist jedoch, dass sich die Verhandlungen über das Pflegebudget zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern in die Länge ziehen und die meisten Krankenhäuser noch kein eigenes Pflegebudget für 2020, geschweige denn für die Folgejahre vereinbaren konnten. Statt der tatsächlichen Kosten wird lediglich ein vorläufiger Pflegeentgeltwert zugrunde gelegt, der nicht ausreicht. Statt – wie vom Gesetzgeber beabsichtigt – ausreichend Geld für die Finanzierung, Aufstockung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zur Verfügung zu haben, müssen die Krankenhäuser diese Kosten vorfinanzieren und bekommen sie – wenn überhaupt – erst Jahre später erstattet.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Definition klarer Vorbehaltstätigkeiten zur Ermöglichung von eindeutigen Outcome-Messungen
  • hohe Tagessatzvereinbarung der Level I i Häuser
  • Entbürokratisierung des Pflegebudgets bei unbedingter Beibehaltung
  • Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwerts auf mindestens 250 €
  • Einführung eines Anpassungsmechanismus zur jährlichen Erhöhung der Pflegeentgeltwerte
  • Schließen von Investitionslücken

5.Pflegepersonalbemessung

Ziel des Gesetzes ist es, die Situation der Pflege in den Krankenhäusern mittelfristig zu verbessern, indem Idealbesetzungen für die Stationen errechnet und durchgesetzt werden. Dazu soll ein Instrument zur Personalbemessung (PPR 2.0) eingesetzt werden, welches im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege von allen Beteiligten entwickelt wurde.

Eingeführt werden soll die PPR 2.0 in drei Stufen:

Ab 1. Januar 2023 soll die Erprobungsphase starten. Hier wird die PPR 2.0 dem Praxistest unterzogen. Die Testphase erfolgt in einer repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern auf Normalstationen und in der Pädiatrie. Auf dieser Basis werden in einer Rechtsverordnung den Krankenhäusern Vorgaben für die Personalbemessung gemacht. Verfügt ein Kranken­haus über einen Entlastungstarifvertrag mit verbindlichen Vorgaben zur Mindestpersonalbesetzung auf bettenführenden Stationen, kann von einer Anwendung der PPR 2.0 abgesehen werden. Ab 2025 wird die Personalbemessung dann scharf gestellt und sanktioniert.

  • Budgetverhandlungen: Die prospektiv durchzuführenden Budgetverhandlungen erfolgen in der Praxis vielfach mit zunehmender Verzögerung von ein bis zwei Jahren. Zur Beschleunigung der Budgetverhandlungen werden insbesondere Fristen für verschiedene Verfahrensschritte und ein automatisches Tätigwerden der Schiedsstelle vorgegeben. Mit dem Gesetzentwurf werden Verwaltungsvereinfachungen hinsichtlich des Verfahrens der Krankenhausabrechnungsprüfung vorgenommen. Auch die Strukturprüfung bei Krankenhäusern durch die Medizinischen Dienste wird weiterentwickelt.
  • Das Verfahren zur Übermittlung von Daten der Krankenhäuser an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), auf deren Grundlage jährlich die Entgeltkataloge kalkuliert werden, wird weiterentwickelt.
  • Es werden Klarstellungen und Konkretisierungen im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren sowie die Antragsbearbeitung und -bewilligung des Krankenhauszukunftsfonds getroffen. Zudem soll die Evaluierung des Krankenhauszukunftsfonds angepasst und weiterentwickelt werden.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Maximale Transparenz in der Erprobungsphase
  • Schnittstellen zwischen Testern, Regierung, Softwareherstellern und zukünftigen Anwendern
  • Weiterentwicklung der Wissenschaft
  • Managementschulungen, um aus dem retrospektiven ein prospektives Instrument zu machen

6.Notfallversorgung

Das übergeordnete Ziel der Reform besteht darin, eine bedarfs- und zeitgerechte, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Notfallversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, die regionale Besonderheiten berücksichtigt und sektorenübergreifend, interdisziplinär und mit klaren Verantwortlichkeiten zu organisieren ist.

  • Die zentralen Kriterien, welche diesem Ziel zugrunde liegen sollen, sind Qualitätsvorgaben wie Struktur, Fallzahlen und Erreichbarkeit.
  • Insbesondere in dünn besiedelten Gebieten sollen Doppelstrukturen vermieden werden, um eine Auslastung der Vorhaltung zu sichern.
  • Die Angebotsstrukturen der Notfallversorgung sollen vereinheitlicht und ihre Planung nach den Bevölkerungskriterien abgestimmt werden.
  • Der 24/7-Sicherstellungsauftrag der KVs nach § 75 Abs. 1b SGB V für die ambulante Notfallversorgung bleibt bestehen. Er soll jedoch genauer definiert und verbindlicher eingefordert werden.
  • Für die digitale Vernetzung aller beteiligten Institutionen mit Echtzeitübermittlung der medizinischen Daten bedarf es einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Dafür empfiehlt die Regierungskommission, eine elektronische Behandlungsakte einzufüh­ren.
  • Zudem sollen die Leistungs- und Qualitätsdaten der ambulanten und stationären Akut- und Notfallversorgung transparent dargelegt werden.
  • Weiterhin empfiehlt die Regierungskommission den Aufbau eines verpflichtenden einheitlichen Terminbuchungssystems. Dieses soll verbindliche Terminbuchungen für die Zuweisung oder Weiterleitung von Hilfesuchenden in alle an der Notfallversor­gung beteiligten Bereiche ermöglichen.
  • Es sollten integrierte Leitstellen sowie Integrierte Notfallzentren zwischen KV und Krankenhaus etabliert werden.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Einführung von festen Personal-Patienten-Schlüsseln, für die eine Evidenzbasis zu schaffen ist. Die Schlüssel sollen in regelmäßigen Abständen evaluiert werden.
  • Interprofessionelle Trainings verbindlich zur Verbesserung der Qualität.
  • Elektronische Behandlungsakte inklusive sinnvoller digitaler Strukturen.
  • Koordination der Terminbuchung
  • Klärung, wer in den integrierten Leitstellen und wer in den Notfallzentren arbeitet.

7.Sektorenmanagement

Es besteht wissenschaftlicher Konsens darüber, dass die Krankenhäuser in Deutschland vielfach Patient*innen akutstationär behandeln müssen, weil die bisherigen Rahmenbedin­gungen, anders als international üblich, den Krankenhäusern keine regelhafte klinisch-ambulante Versorgung ermöglichen. Die Regierungskommission hat es dennoch versäumt, dass für den beabsichtigten Strukturwandel so wichtige Feld der klinisch-ambulanten Versorgung zu beschreiben.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Ausbau und Förderung der klinisch-ambulanten Versorgung.
  • Der Gesetzentwurf von Bund und Ländern muss die komplexe klinisch-ambulante Behandlung als attraktives Behandlungsfeld und Finanzierungsmöglichkeit für die Krankenhäuser vorsehen.
  • Verantwortung des Pflegemanagement zu den Qualifikationen benennen.
  • Beschreibung und Darstellung von Einsatz und Wirksamkeit der Qualifikationen in Bezug auf die Patient*innenversorgung.
  • Erstellung einer spezifischen Rollenbeschreibung für die verschiedenen Sektoren und Beschreibung ihrer Funktion in der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit.
  • Zusammenhang Personalbemessungsverfahren in der Altenhilfe herstellen.

8.Spezialisierung

Die Versorgungslevel reichen von Level I bis Level III Krankenhäuser, wobei Level I Krankenhäuser in Level I i und Level I n unterschieden werden. Level I i Krankenhäuser stellen hierbei keine klassischen Krankenhäuser mehr dar, sondern vielmehr intersektorale Gesundheitszentren mit Akutpflegekapazitäten. Diese neue Versorgungsform soll insbesondere zu einer Sektorenverschmelzung des ambulanten und stationären Sektors beitragen. Neben diesen Mindeststrukturkriterien könnte für potenzielle Level-I n-Häuser ein weiteres Kriterium relevant werden. Diese Level-I n-Krankenhäuser würden laut Stellungnahme der Regierungskommission nur dann einen Sicherstellungsauftrag erhalten, wenn sich im 30 Minuten Fahrzeitradius kein Krankenhaus der Level II oder III befindet.

Die Einführung von Level n ist eine richtige und wichtige Voraussetzung für mehr Qualität in der Leistungserbringung. Mindestvoraussetzungen für die personellen Qualifikationen und die medizinisch-technische Ausstattung für definierte Leistungsspektren werden den Markt verändern. Wichtig wird in der Bund-Länder-Diskussion, dass regionale Unterschiede in der Leveleinteilung berücksichtigt werden, um Unterversorgungen zu vermeiden.

Zielsetzungen aus Pflegemanagement-Perspektive

  • Erkennen der Chancen des Einsatzes von Pflegenden in spezifischen Bereichen.
  • Interessen à la Uniklinik / Maximalversorger / Fachklinik sollten als übergeordnete Steuerung und Koordination in der regionalen Versorgung und auch weitergehender System- und Zukunftsaufgaben übernommen werden. 
  • Unterstützung und Aufbau der Infrastruktur zwischen den Kliniken, gerade im länd­lichen Bereich, muss durch einen Ausbau der Digitalisierung und durch neue Kommunikationswege fokussiert werden.
  • Berücksichtigung von Spezialisierungen der Level I i Krankenhäuser im Interesse einer qualitativ hochwertigen Patient*innenversorgung.